„Nicht der Berg ist es, den man bezwingt, sondern das eigene Ich.“- Besteigung der Zugspitze
- sibelakin
- 9. Aug. 2023
- 6 Min. Lesezeit

Schon lange hab ich es mir vorgenommen: einmal auf die Zugspitze.Und nicht wie der Standardtouri mit der Seilbahn sondern zu Fuss!Ich befinde mich ja gerade im Training für den Berlin Marathon und da verfestigte sich vor einigen Wochen die Idee: ich muss auch mal langsames Tempo einlegen...und wie immer gilt: der Weg ist das Ziel.Ein wichtiger Satz in meinem Leben, es geht nicht um schneller, höher oder weiter sondern immer darum, neues zu wagen und vor allem das Ziel zu erreichen.
Da ich keine Alpen Erfahrung habe, habe ich mich durchs World Wide Web geforstet und bin auf eine Bergführer-geführte Reise über 2 Tage mit dem Titel "Der Weg der Erstbester zur Zugspitze" gestossen und habe einfach Ja gesagt!
Freitag 22 Uhr sitze ich im Flixbus Richtung München und dann nach Garmisch Partenkirchen und ich kann mich zum ersten Mal Ruhe gedanklich auf die kommende Tour einstellen. Ich bin tatsächlich aufgeregt, denn eigentlich weiss ich noch gar nicht, was mich erwartet In der Höhe bin ich dann doch eher selten. Felsen, weite Schneefelder, Gletscherspalten kommen mir in den Sinn.Ich schlafe friedlich im Bus ein und am Morgen ziehen grüne satte Wiesen an mir vorbei und das Wettersteingebirge öffnet sich in Garmisch-Partenkirchen und Umgebung auf, als ich die Stadt erreiche. Vorfreude kommt auf, denn ein Trip in die Berge birgt Überraschungen. Welche Abenteuer wohl auf mich warten?
Ich habe vom Bahnhof Garmisch-Partenkirchen noch einen kleinen Fussmarsch bis zum Treffpunkt Olympia-Schanze. Es nieselt,zwischendurch Sonnenschein. Und da sind schon am Touristenzentrum einige andere Teilnehmer neben Angelika, der Bergführerin für diese Reise. Eine waschechte Garmisch-Partenkirchenerin, mit großer Liebe zu den Alpen.
Nach kurzer Kennenlernrunde und ersten Details zur Reise geht es zur Partnachklamm, dem offiziellen Start der Tour.

Die Partnachklamm ist ein echter Kracher direkt zum Start. Der Bergbach Partnach hat hier eine bis zu 80 Meter tiefe Schlucht in die Berge gegraben. Es ist schon ein Erlebnis zwischen den himmelhohen Felswänden zu laufen, die am frühen Vormittag , nicht nur wegen dem anhaltenden Nieselregen, noch ganz feucht sind. Das Wasser der Partnach rauscht mit gewaltiger Kraft (und Lautstärke) durch die Klamm. Von den Seiten strömen zahllose kleine Wasserfälle herab.
Der Weg verläuft abwechselnd direkt am Wasser oder durch in den Berg gegrabene Tunnel und ist gut gesichert. Einzige Herausforderung: Von oben stürzt ständig Wasser in die Klamm herab. Teilweise kommt es mir so vor, als würde ich durch Sprühregen laufen. Nach knapp 700 Metern ist der Spaß auch schon vorbei und wir erreichen das Ende der Klamm im unteren Reintal. Es sind auch einige Amerikaner in der Klamm unterwegs und ich höre immerzu ihr " Wow" oder "Awesome" und DAS ist es hier wahrlich.
Es ist meine erste Klamm. In Bayern gibts noch einige und ich weiss nicht, wie schön die anderen sind, aber das hier ist schon ein echtes Naturschauspiel!!
Hier lohnt sich auch ohne Weiterwandern ein Besuch.
Es folgen einige Kilometer auf einem sanft ansteigenden, aber landschaftlich unspektakulären Forstweg durch lichten Nadelwald. Dieses Stück zieht sich für mein Empfinden ziemlich in die Länge. Es ergeben sich hier die ersten Gespräche mit den anderen Teilnehmern und der etwas langweilig wirkende Weg, der wie ein Wirtschaftsweg wirkt, ist überwunden.
Es wird zu einem echten Wanderweg! Erstmals öffnet sich der Wald und gibt den Blick auf das Tal und die umliegenden Gipfel des Wettersteingebirges frei. Traumhaft!
Nach der Partnachalm verläuft der Weg relativ gemütlich entlang der Partnach. Der mächtige Gebirgsfluss aus der Klamm ist hier nur noch ein kleines Bächlein und plätschert munter über die Steine. Ein paar kleinere Anstiege gibt es hier schon, aber nichts Ernstes. Ungefähr 2 Stunden später erreichen wir die Bockhütte auf 1052 m, die von Mai bis Oktober geöffnet hat. Es gibt im Nieselregen eine erste Erfrischung und die frische Bergluft tut soooo gut!
Ein wunderbarer Anblick. Und diese himmlische Ruhe! Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte ich in diesem Moment auch in einem abgelegenen Bergtal im Himalaya sein.
Im weiteren Verlauf wird der Weg zunehmend steiler. Nach einem letzten Anstieg am Wasserfall vorbei erreichen wir das obere Reintal und die idyllisch gelegene Reintalangerhütte auf 1366 Metern.
Tag 1 der Wanderung ist geschafft und nachdem wir alle unsere nassen Schuhe und Ausrüstung im Trockenraum abgestellt haben, folgt die Besichtigung der Schlafstätte: ein Matratzenlager als Stockbett für uns alle zusammen! Ich möchte unbedingt oben schlafen! In der Hütte wuseln die Betreiber und ihre Mitarbeiter, viele Wanderer kehren ein und alle sind mit dem Auspacken ihres Hab und Gut beschäftigt.
Punkt 17:30 Uhr wird uns ein festliches Mahl serviert, was nicht vorzüglicher sein könnte...nicht zu vergessen, wir sind auf 1350 m Höhe in den Alpen!
Trotz Lagebesprechung für den nächsten Tag, merke ich, dass die viele frische Luft Müdigkeit aufkommen lässt und der Blick auf die Uhr zeigt...es ist gerade 19:30 Uhr, also noch viel zu früh um schlafen zu gehen, aber es wird dann doch noch ein geselliger Abend mit den anderen Gästen und um 22 Uhr gehen wir im Kollektiv schlafen:-)
Ich schlafe so gut, dass ich Mühe habe, den Weckruf zu hören, aber mit sanften Gitarrenklängen die Hütte um 6 Uhr zu wecken ist eine herrliche Idee. Aus jedem Zimmer kommen Geräusche,die für Ein- und Zusammenpacken sprechen und beim gemeinsamen Frühstück mit Bio- Erdbeermarmelade und mega leckrem Brot beginnt ein perfekter Tagesstart für die weitere Wanderung. Angelika meint: Ab hier wird es ernst, also Los!

Langsam weicht das Grün der Wälder und Almwiesen nacktem Gestein und dem Grau der Geröllfelder. Das Gelände wird zunehmend alpiner. Nach der Reintalangerhütte geht es immer steiler nach oben. Der bisher angenehm zu laufende Wanderweg wird zu einem Gebirgssteig, der sich über Geröll in Richtung Zugspitzplatt windet.
Im Prinzip ist es immer noch kein schwieriger Weg, auch wenn es ein bisschen steiler wird. Aber die Steigung und die bislang zurückgelegten Kilometer setzen uns doch zu. Das ist nur der Moment, an dem ich feststelle: ich bin fitter als ich glaube und vor allem habe ich mittlerweile dank des Marathonlaufes eine mentale Stärke, die meine 1,60m Körpergröße übersteigt!!
Schritt für Schritt geht es bis zur Knorrhütte auf 2052 Metern, der letzten Zwischenstation vor dem Gipfelsturm.
An der Knorrhütte hat sich der Himmel zugezogen und vom Sonnenschein der letzten Stunden ist keine Spur mehr zu sehen. Die Landschaft hat sich in eine karge Steinwüste verwandelt und nach einer kurzen Pause stapfen wir über die Gletschermoräne weiter nach oben. Es ist zwar August, aber hier oben liegt immer Schnee.Und es schneit. Ein Schneegewitter zieht auf.
Früher war das ausgedehnte Hochplateau komplett von einem Gletscher bedeckt. Heute ist nur noch ein kleiner Teil der Eismasse übrig – der Schneeferner. Der Weg führt relativ gerade nach Westen, bevor es zum Schluss steil über die Südwestflanke zum Gipfel geht. Wobei man heute nicht von Weg sprechen kann. Das Zugspitzplatt ist fast komplett zugeschneit und uns bleibt nichts anderes übrig, als durch den Schnee zu stapfen. Wir erreichen Sonn-Alpin auf 2600 Metern.
Es ist 12 Uhr mittags. Der Gipfel ist jetzt schon zum Greifen nah aber Angelika, unsere Bergführerin, macht eines klar: für uns als Gruppe ist hier und heute Schluss mit der Wanderung. Es ist einfach schlichtweg aufgrund des Schnee nicht möglich für uns, die letzten Höhenmeter zu laufen. In der Ferne würde ich jetzt schon bis auf den Gipfel der Zugspitze blicken können.Aber die letzten Stunden hat es hier oben so sehr geschneit, dass es seine Spuren hinterlassen hat.
Wir steigen also in die Zahnradbahn auf dem Sonn-Alpin ein und sind nach gefühlt 1 Mitte fahrt auf der Zugspitze angelangt.

Das Gipfelkreuz taucht im Nebel und Schneeregen auf.Es wimmelt vor lauter Tagestouristen, die mit kurzen Hosen auf der Terrasse der Bergstation ihr Foto vor dem Gipfelkreuz machen. Auch ich muss diesen Moment natürlich festhalten. Anders geplant, aber dann doch das Ziel erreicht zu haben, bin ich wirklich stolz durchgehalten zu haben!
Das graue Betongebäude der Bergstation ist hässlich und erinnert eher an eine Mischung aus Flughafenterminal und Industriekomplex. Von Bergsteigerromantik ist hier nicht viel zu spüren. Aber das ist wohl der Preis, den man zahlen muss, wenn wirklich jeder auf den Gipfel hochgekarrt werden soll/möchte.
Beim wohlverdienten Schweinebraten lassen wir als Gruppe die letzten Stunden Revue passieren. Ja… es ist ziemlich ärgerlich, dass wir das letzte Stück des Wegs nicht mehr gepackt haben. Aber die Wanderung war auch so ein tolles Erlebnis. Und wenn ich beim nächsten Mal hier hochkomme, kann ich das Finale immer noch nachholen. Schließlich gibt es ja noch ein paar andere Routen…
Mit der Zugspitzbahn geht es in 70 Minuten runter nach Garmisch-Partenkirchen zurück und während der Fahrt habe ich sicherlich ein wohlverdientes Nickerchen gemacht, denn ich kann mich an die Rückfahrt schlichtweg nicht erinnern...:-)



































































































Liebe Sibel, mal wieder ein wunderbarer Beitrag von Dir, den ich mit Freude gelesen habe! Ich konnte deine Anstrengung und Freude förmlich herauslesen!Bitte noch viel mehr davon!