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"Wir haben keine Absicht eine Mauer zu bauen"- Berliner Mauerweg in 3 Tagen mit dem Fahrrad

  • sibelakin
  • 29. Juli 2023
  • 15 Min. Lesezeit

Als Symbol des Kalten Krieges und für mindestens 140 Menschen als Todesmauer endend, ist die Berliner Mauer eine bis zu 4m hohe Tragödie der deutschen Nachkriegszeit. 28 Jahre hat diese Mauer Deutschland geteilt, Leid und Opfer mit sich gebracht. Nach dem Mauerfall ist es aktiven Menschen zu verdanken, den früheren Postenweg der Grenztruppen als Rad- und Wanderweg zu erschließen. So können heute auf einem Rundweg mehr als 160 Kilometer zu Fuß oder per Fahrrad erkundet werden.


Die Inspiration zu dieser Tour habe ich von Herrn Rüdiger, einem rüstigen Rentner, den ich bei einer Bahnfahrt nach Hamburg als Sitznachbarn hatte und er gerade von dieser Tour zurückkam. Ich wollte schon zu Pandemiezeiten den Weg bestreiten, aber so wie das Leben auch bei mir manchmal ist: Ideen rutschen in den Hintergrund. Aber nun!


Ich habe auf dieser Tour nicht viel Mauer zu Gesicht bekommen. Der Grund hierfür ist simpel, denn es ist kaum etwas von ihr übrig. Nach der Wiedervereinigung waren die Leute so gierig darauf, dass sie so schnell wie nur möglich dieses furchtbare Bollwerk entfernen wollten. Im ersten Moment ist dies absolut nachvollziehbar, aber erst deutlich später wurde bewusst, dass es vielleicht doch eine gute Idee wäre, ein paar Teile der Mauer als Mahnmale stehenzulassen. Da war bereits fast alles leider abgerissen.


Ich wusste noch grob aus dem Gespräch mit Herrn Rüdiger, was ich auf dem Mauerweg aber sehen würde: Ein paar der Wachtürme. Ein paar kleinere Reste der Mauer hier und da. Und einige Gegenden und Gebäude, aus denen die Geschichte nachvollziehbar sein würde. Das, und sehr, sehr viele Informationstafeln, die aufklären und über nahezu jeden Menschen informieren, der einen Fluchtversuch gewagt hat aber leider verstorben ist.


"Und genau diese Geschichten sind es, die den Mauerweg so sehenswert machen", meinte er. Aber sein Rat, mich darauf einzustellen, dass einige Orte mich ungläubig, traurig und sogar wütend machen würden, hat sich im Nachhinein als Wahrheit entpuppt. Kalt hat mich der Mauerweg nicht gelassen.


Es gibt auf dem Rundweg keinen offiziellen Startpunkt und ich habe MEINEN Start am Potsdamer Platz festgelegt. Grundlos, vielleicht weil ich den Potsdamer Platz einfach mag.


Es ist für diesen Sommer 2023 ein verdammt heisses Wochenende angekündigt, aber das hält mich nach der Arbeit nicht davon ab, mich mit meinem Drahtesel in die Deutsche Bahn zu begeben und am späten Freitagnachmittag am Potsdamer Platz mein erstes Foto zu machen und damit aber auch zeitgleich den Start der gut 160km einzuleiten.



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Der Potsdamer Platz galt im 20.Jahrhundert als der verkehrsreichste Platz in Europa – umgeben von Hotels, Restaurants und Geschäften. Nach der Besetzung Berlins durch die Siegermächte des 2. Weltkriegs trafen an dem stark zerstörten Platz britischer, amerikanischer und sowjetischer Sektor zusammen.

Die Absperrung des sowjetischen Teils im August 1961 verlief zwischen Potsdamer- und Leipziger Platz. Sie verwandelte das Areal allmählich in eine riesige Brache inmitten der Stadt: Todesstreifen zwischen den Sperrmauern auf Ost-Berliner Gebiet – menschenleere Einöde auf der West-Berliner Seite.


Und NIRGENDS lässt sich der Unterschied zwischen 1989 und heute so drastisch sehen wie hier. Der Potsdamer Platz wird gesäumt von modernen Hochhäusern, dem Ritz-Carlton Hotel, einem riesigen Kino-Spaß-Komplex und Menschen, Menschen,Menschen. Meine erste Etappe startet hier und ich hoffe, dass meine letzte Etappe am Sonntag auch hier wieder endet.


Über die Ebertstraße ist schon nach 500 Metern mein erster Stop erreicht, weil sich das Denkmal für die ermordeten Juden Europas zeigt.

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Zwischen 1961 und 1989 lag das Areal im unbebauten Geländestreifen direkt östlich der Berliner Mauer, dem sogenannten „Todesstreifen“ als Teil der Grenzsicherungsanlagen.








Und auch der nächste Stop ist nach wenigen Minuten zu opulent, um daran vorbeizudüsen. Entlang des Tiergarten und vorbei am Adlon Hotel zeigt sich das Brandenburger Tor!

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Seit der deutschen Teilung und dem Mauerbau im Jahr 1961 stand das Brandenburger Tor in Ost-Berlin im Sperrgebiet, die Berliner Mauer verlief auf der westlichen Seite in einem Bogen um das Tor herum, das so zum Mahnmal für die Teilung Deutschlands wurde.







Ich merke schnell, dass ich im innerstädtischen Mauerabschnitt viel zu viele Gedenkorte sehe, so dass ich nicht einfach mal zügig weiterradeln kann. Herr Rüdiger, Sie hatten Recht!


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Die weißen Holz-Kreuze an einem Zaun am Tiergarten tragen beidseitig die Namen von 16 Todesopfern der Mauer, von denen die meisten in den Jahren 1961-1965 starben. Ein weiteres Kreuz ist „Den unbekannten Opfern an der Mauer“ gewidmet. Er soll an alle Menschen erinnern, die nach der Abriegelung der Grenze bei dem Versuch, aus der DDR nach West-Berlin zu fliehen, ums Leben gekommen sind.

Namen tauchen auf, die mir bis dato fremd sind. Aber auf dieser Reise wird jeder einzelne nochmals mitsamt des persönlichen Schicksals mir erneut begegnen.



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Hinter dem Reichstagsgebäude verlief die Berliner Mauer, Reste habe ich hier aber leider nicht entdecken können.










Zügig geht die Reise weiter und ich erreiche ein Friedhofsareal in Berlin-Mitte.


Der Invalidenfriedhof in Berlin-Mitte gehört zu Berlins ältesten Friedhöfen und ist die letzte Ruhestätte vieler Berliner Persönlichkeiten, zugleich ist er Gedenkstätte. Teile des Friedhofs liegen auf dem ehemaligen Todesstreifen. Der Friedhof, der also schon vor dem Mauerbau da war, musste dem Todesstreifen weichen!



Einmal kurz um die Ecke gedüst und ich stehe vor meinem ersten Wachtum.


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Dieser Wachtum steht umringt von Berliner "Wohnbauschick" und dient heute als Gedenkstätte für das Todesopfer Günther Litfin.

Er war der erste DDR-Flüchtling, den Grenzposten der DDR nach Errichtung der Berliner Mauer durch gezielte Schüsse töteten. Am 24. August 1961 hatte er versucht, ganz in der Nähe der Charité Berlin in den Westteil der Stadt zu fliehen. Jürgen Litfin, der Bruder von Günter, hat eine Ausstellung konzipiert und allen Opfern an der Berliner Mauer gewidmet.

Ich kann den Besuch des Wachturms wärmstens empfehlen!


Als wäre 1 Friedhof nicht genug, folgt in der Liesenstraße ein weiterer Abschnitt der Berliner Mauer auf Berlins ältestem katholischem Friedhof, die sog. "Grenzmauer 75" auf dem St. Hedwig-Friedhof in Berlin Mitte.



Mir haben besonders die Gräber gefallen und ein imposantes Kreuz, welches ehemals auf der Kuppel des Berliner Doms stand und heute als Zeichen des Gedenkens der Opfer an der Mauer gewidmet ist.


Der Berliner Stadtverkehr bleibt an diesem Freitag Nachmittag weiterhin dicht und die Luft glüht-ohne Windabkühlung. Ich erreiche die Bernauer Straße in Mitte und weiss,an diesem Ort muss ich mehr Zeit und Pause einplanen, sooooo viel gibt es hier zu sehen.



Das Dokumentationszentrum bietet einen sehr guten Überblick über die Mauer und die gesamte deutsch-deutsche Geschichte. Man kann hier eine Menge besichtigen, lesen, anhören. Hier lassen sich auch einige der letzten erhaltenen Mauerstücke finden. Auch nicht verpassen: All die Geschichten über die zahlreichen Tunnels, die genau hier unter dem Todesstreifen hindurch gegraben wurden!



Besonders beeindruckt haben mich die Bilder der Todesopfer an der Mauer, wobei für diese Installation einige Rahmen frei geblieben sind für die evtl nicht als Todesopfer Identifizierten.

Auch unabhängig von der Radtour ist das Mauerdokumentationszentrum ein Pflichtbesuch, wenn ihr in Berlin seid!


Zwischen dem 3. und 5. Oktober 1984 fliehen 57 Menschen durch einen Tunnel von Ost- nach West-Berlin. Von ca. 70 Fluchtunnelbauten ist es das erfolgreichste Unternehmen. Es sind 20 Männer, 27 Frauen, fünf Jugendliche bis 18 Jahre und fünf Kinder bis 14 Jahre, die durch das enge unterirdische Bauwerk mit einer Länge von 145 Metern in die Freiheit gelangen – 12 Meter unter der Bernauer Straße und vor allem unter der Mauer hindurch. Ihre Zahl gibt dem Tunnel seinen Namen: Tunnel 57.

Und eines wird mir, ehe ich auf mein Rad steige um nach mindestens 1 Stunde Besichtigung des Dokuzentrums, klar: ich werde mit offenen Augen auf Boden und Häuserwände gucken MÜSSEN, denn sonst entgeht mir einfach vieles!


Noch ziemlich mitgenommen von der Flut an Informationen , Bildern und Lebensgeschichten erreiche ich den Grenzübergang Bornholmer Straße. Am östlichen Ende der Bösebrücke, war am Abend des 9. November 1989 um 22:30 Uhr die erste Stelle, an der die Berliner Mauer geöffnet wurde. Das ist zumindest die offizielle Information, die ich mit der Bornholmer Straße verbinde. Ich habe aber erfahren müssen, dass dem gar nicht so ist, denn bereits 2 Stunden vorher, um 20:30 Uhr ,wurde an der Waltersdorfer Chaussee im Berliner Süden als erstes die Mauer eröffnet! Ein herrliches Geschichtsdetail:-)


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Entlang der Bornholmer Straße zieht sich im Norden eine Brachfläche, gesäumt durch die einstige Hinterlandsicherungsmauer und Kleingartenkolonien. Über 100 Zierkirschbäume säumen hier den Mauerweg. Sie waren 1990 ein Geschenk Japans als Ausdruck der großen Anteilnahme über das wiedervereinigte Deutschland. Das ist sicher ein wunderbarer Ort, wenn die Kirschblüte beginnt! Hier komme ich sicherlich nochmal her, um dieses zu bestaunen.


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Wenn Ihr euch fragt, ob die Strecke des Mauerwegs gut ausgeschildert ist, dann zeig ich euch gerne das obligatorische Strassenschild, welches auf den 160km immer wieder als Wegpfeiler auftaucht. Ich habe zwar eine App auf dem Handy zusätzlich benutzt, aber meistens mich auf die Ausschilderung konzentriert.


Dieses Schild steht im Tegeler Fliess, welches sich trotz Mückenattacken gut passieren lässt und es tut gut, aus dem Stadttrubel für heute zu entrinnen und einfach ein paar Kilometer ohne Stop zu radeln um die Natur zu geniessen. Der Schatten der Bäume hilft immens die mittlerweile heissen Temperaturen zu ertragen!



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Ich halte nochmals im Tegeler Forst kurz vor dem Grenzübergang Stolpe , denn auf der Strecke tauchen immerwieder interessante Gebäude und Informationen auf, dass es am Ende nicht möglich und auch nicht wichtig ist, einfach weiterzufahren.

Das wird sich auch die nächsten Tage sicherlich nicht ändern, denn ich habe mich im Vorfeld zwar grob mit dem Thema " Berliner Mauer" befasst und dazu gelesen, aber schon nach den ersten Kilometern merke ich, dass ich wahnsinnig viel gelernt habe. Sehr gut gemacht ist, dass immerwieder Bildmaterial von damals zu sehen ist, denn es ist für mich unvorstellbar, wie diese Gegenden zu Zeiten der Mauer ausgesehen haben müssen.




Diese orange-farbenen Säulen tauchen auf der gesamten Strecke auf und ich kann die wichtigsten Informationen zum Ort und zu den Todesopfern lesen, denen die Säule als Erinnerung gewidmet wurden.

Auf dem ersten Bild könnt Ihr ein Stück des Stacheldrahtteppichs sehen, der auf den Todesstreifen ausgelegt wurde.


Es ist kurz vor 19:30 Uhr , als ich nach knapp 40km Hennigsdorf erreiche.

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Tag 1 ist geschafft! Die Hitze hat zum Glück noch keine großen Spuren an mir hinterlassen, aber während ich mit der S Bahn nach Hause fahre, komme ich schon sehr ins Grübeln über das Gesehene und Gelesene..Herr Rüdiger, ich denke immer noch an Ihre Worte.....


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Samstag 05:42 Uhr steh ich am Bahnhof, um wieder nach Hennigsdorf zurückzukommen und die Tour von dort aus weiterzufahren. Es ist ein heisser Tag mit 36 Grad angekündigt, also gilt die Devise: Früh starten, um hoffentlich nicht allzu viel Strecke in der prallen Sonne fahren zu müssen. Ich bin freudig gestimmt trotz der frühen Uhrzeit und gespannt darauf, welche Erlebnisse der Tag heute mit sich bringen wird.








In Hennigsdorf angekommen, startet die weitere Fahrt sonnig aber immer noch kühl genug an der Havel entlang. Ich erreiche Nieder Neuendorf , welches nordwestlich von Berlin liegt und eigentlich gibt es hier nur Wohnhäuser, eine Kirche und einige Einkaufsmöglichkeiten. Und einen der letzten Grenztürme der ehemaligen DDR.

Direkt an dem wunderschönen Nieder Neuendorfer See verläuft die “Grenze” zwischen Berlin und Brandenburg und hier verlief 25 Jahre lang auch die Grenze zwischen der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) und Berlin (West).




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Rund um West-Berlin standen über 300 solcher Türme zur Grenzsicherung.Der Grenzturm wurde 1987 erbaut und diente dem Grenzregime 38 “Clara Zetkin” als Führungsstelle. Von hier aus wurde die Kontrolle des 10 Kilometer langen Abschnittes von Schönwalde bis Stolpe-Süd koordiniert, an dem 18 weitere Grenztürme standen.

Nach dem Abriss der Mauer blieb der Grenzturm erhalten und steht heute als Mahnmal am Ufer der Havel.


Der weiter nach Westen führende Weg bringt mich an der Havel entlang und durch ein dichtes Waldgebiet zu...

...den Wochenendgemeinschaften Fichtewiese und Erlengrund. Auch sie lagen als West-Berliner Exklaven auf dem Gebiet der DDR. Die Besitzer mussten die Grenzanlagen passieren, um zu ihrem Freizeitgelände zu kommen. Am Eingangstor aus Richtung Bürgerablage meldeten sie sich per Sprechanlage bei den DDR-Grenzposten an. Erst ab dem 1. Juli 1988 war der Zugang zu den Wochenendsiedlungen durch einen Gebietsaustausch mit der DDR wieder frei.


Der Weg in Richtung Spandauer Forst bringt mich zur

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ehemaligen West-Berliner Exklave Eiskeller. Sie erhielt ihren Namen aufgrund der durchweg niedrigen Temperaturen ( laut Infotafel sei der Eiskeller der kälteste Ort Berlins). Die Exklave war mit dem Bezirk Spandau nur durch eine vier Meter breite, 800 Meter lange Zufahrt verbunden. Drei Familien lebten auf Bauernhöfen in Eiskeller. Im Herbst 1961 wurde ihre Situation durch die Geschichte eines 12-jährigen Bewohners weit über Berlin hinaus bekannt.

Erwin lebt 1961 mit seiner Familie im Eiskeller. Nach dem 13. August wird das Terrain zu einer Enklave. Die Mauer umschließt es fast vollständig. Nur eine kleine Straße verbindet Eiskeller noch mit Spandau. Links und rechts von ihr befindet sich der Grenzwall.

Erwin muss diesen Weg fast täglich passieren, um zu seiner Schule in Hakenfelde zu kommen. Er legt ihn mit dem Fahrrad zurück. Wenige Wochen nach dem Mauerbau kommt der Junge aber nicht in der Schule an. Er bleibt zunächst verschwunden, taucht nach einigen Stunden wieder auf und erzählt eine Geschichte, die weiteres Eskalationspotenzial in der ohnehin angespannten Zeit barg.

Er sei von DDR-Volkspolizisten abgefangen und festgehalten worden, berichtete Erwin. Nach diesem Erlebnis traue er sich nicht mehr allein auf den Grenzweg. Was allgemein verständlich war. Die britische Schutzmacht, in deren Sektor Spandau lag, reagierte unverzüglich und ließ den Zwölfjährigen ab sofort durch Soldaten begleiten. Es gibt davon ein sehr berühmtes Foto im Netz zu finden.




Immer wieder wird der Mauerweg gesäumt von Gedenksteinen!Ich erreiche in der prallen Vormittagshitze in Höhe Bergstrasse an der Heerstrasse Falkensee und gönne mir am Falkenhagener See eine herrliche und dringenst nötige Badepause!



Ich folge der Bergstrasse und gelange mitten in einem Wohngebiet zum Gedenkort für Dieter Wohlfahrt. Ein Holzkreuz und eine Informationsstele aus dem Jahr 2011 erinnern an den 20-jährigen Studenten, der am 9. Dezember 1961 erschossen wurde, weil er DDR-Bürgern zur Flucht verhelfen wollte. Der Besitzer eines österreichischen Passes, der bis 1956 selbst in der DDR gelebt hatte, engagierte sich in der studentischen Fluchthilfe. Am 9. Dezember 1961 wollten Wohlfahrt und seine Freunde einer Frau aus West-Staaken die Flucht nach West-Berlin ermöglichen, indem sie an der stillen Stadtrandstraße den Grenzzaun zerschnitten. Die Frau aber hatte das Vorhaben verraten: DDR-Grenzpolizisten erwarteten die Fluchthelfer bereits und eröffneten sofort das Feuer. Dieter Wohlfahrt, von einer Kugel ins Herz getroffen, starb im Grenzstreifen.



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Am Grenzübergang Staaken mache ich ein letztes Foto, ehe ich durch Königswald mich nach Groß Glienicke und damit langsam gen Potsdam bewege.








Viele Badegäste schleppen ihre Mitbringsel zum nächsten See, der sich blau schimmernd zeigt und ich mache schnell ein Foto von Mauerresten.



Die Grenze verlief in der Mitte des Groß Glieniecker Sees, ein von West-Berlinern wegen des sauberen Wassers – trotz ständiger Beobachtung durch die DDR-Grenzsoldaten – gern aufgesuchter Badeplatz ( also auch schon damals wie heute). Von den Sperranlagen am DDR-Ufer ist ein Mauerrest ganz im Norden des Sees an der Gutsstraße erhalten.Und auch an diesem mittlerweile glühenden Samstag ist das Ufer und der See gefüllt mit Badenden, so dass ich nicht widerstehen kann und mir eine erneute kurze Abkühlung verschaffe.


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Vorbei am Ritterfelddamm, der Potsdamer Chaussee und dem Flugplatz Gatos erreiche ich die Heilandskirche am Sacrower Hafen.

Seit dem Bau der Berliner Mauer verliefen die Grenzanlagen über das Kirchengelände. Der Glockenturm war zunächst Teil der Grenzmauer, das Kirchenschiff stand im so genannten Niemandsland zwischen der politischen Grenze in der Havel und dem Todesstreifen. Bis zum 24. Dezember 1961 konnten in der Kirche Gottesdienste stattfinden. Als wenig später der Innenraum zerstört wurde, nahmen die Grenzorgane die Verwüstung zum Vorwand, die weitere Nutzung zu untersagen. Obwohl die Kirche weder von Potsdam noch von Berlin aus zugänglich war, wurde der zusehends verfallende Bau mit Hilfe von Spendengeldern aus West-Berlin äußerlich wiederhergestellt. Am 24. Dezember 1989 feierte die Gemeinde mit vielen Gästen den ersten Gottesdienst nach dem Fall der Mauer.



Ich erreiche über Krampnitz meine alte Heimat Potsdam, ein mir gewohntes Pflaster, denn in dieser Stadt habe ich 9 Jahre gelebt. Aber nie in der Zeit habe ich mich bewusst mit dem Mauerweg befasst. Ich bin erstaunt, wie nah am Ufer entlang sich große Villen auftun und fahre am Uferturm des Jungfernsees vorbei. Durch Cecilienhof gehts in Richtung Meierei, die mir vertraut ist. Die Infotafel zeigt mir aber deutlich, dass zwischen früher und heute ein immenser Unterschied besteht!



Auch in Potsdam finden sich noch wenige Mauerreste, hier an der Glienicker Brücke an der Villa Schöningen!


Die Glienicker Brücke war lange Zeit ein legendärer Schauplatz des Kalten Krieges. Über sie tauschten die USA und die Sowjetunion Spione aus. Heute ist die Brücke eine unspektakuläre Verbindung nach Potsdam, hat jedoch einen sehr schönen Blick über die zauberhafte Havellandschaft zu bieten.

Als „Grenzübergangsstelle Potsdam“ durfte sie nach dem Mauerbau nur von Mitarbeitern des Militärs, Privatpersonen mit Sondererlaubnis und später auch von in der DDR akkreditierten Diplomaten genutzt werden. Den Namen der „Agentenbrücke“ hat die Glienicker Brücke 1962 durch den Austausch des KGB-Agenten Rudolf Abel gegen den amerikanischen Pilot Francis Powers erhalten, der während eines Spionageflugs über der Sowjetunion abgeschossen worden war. Nach dem Tausch kam es nur noch wenige Male zu vergleichbaren Aktionen. Doch die Faszination des Grenzübergangs blieb ungebrochen. 1989 war die Glienicker Brücke eine der beiden ersten zusätzlichen Übergangsstellen, die schon am Tag nach dem Mauerfall, am 10. November 1989 geöffnet wurden.



Ich passiere die Glienicker Brücke mit einem herrlichen Blick auf die Havel, die gefüllt ist mit Jachten, denn nun glüht die Sonne wirklich vom Feinsten. In der Königsstrasse wird mir nochmal deutlich wie wahnsinnig die vergangene Zeit ein Vorher und Nachher erschaffen hat! Ein letzter Blick über den Park Babelsberg und es geht weiter in Richtung Wannsee.



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Hier erspähe im am S Bahnhof Wannsee dieses Relikt aus alten Seiten, hat vielleicht nichts mit der Mauer zu tun, aber schön genug, um es festzuhalten!

















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Am Teltowkanal entlang kämpfe ich mich zum Westberliner Kontrollpunkt Dreilinden durch.

"Drewitz“ hieß der größte innerdeutsche Grenzkontrollpunkt auf Ostseite, „Checkpoint Bravo“ nannten ihn die Alliierten. Für West-Berliner war Dreilinden das Ende der Avus, wo man seinen „behelfmäßigen Personalausweis“ bereit hielt und hoffte, die Autoschlange möge diesmal nicht lang sein.




Der Weg zieht sich nun entlang Kleinmachnow und ich erreiche nach stolzen 90km Tagesleistung den U Bahnhof Rudow und beende meinen langen Tag ! Wieder viel gesehen, viel gelernt und beeindruckt von den Erlebnissen, gehts erstmal wieder nach Hause!


Tag 3 und damit hoffentlich ein erfolgreicher Tag startet nicht zu früh wie Tag 2, denn mir hängen die 90km in der Sonne noch im Nacken.

Mein Fahrrad habe ich am U Bahnhof Rudow stehen lassen und nach einem Schockmoment, weil ich es nicht sofort gefunden habe, schwinge ich mich darauf und es geht in Richtung Schönefeld weiter.


Entlang des Landschaftskanals Altglienicke/ Rudow erspähe ich von Weitem den BER Flughafen, zu dem ich nichts zu sagen habe:-)

Am Sonntagvormittag sind entlang des Britzer Kanal viele sportlich aktive Berliner unterwegs. Es ist schön zu sehen, dass der Mauerweg so routiniert verankert ist im Alltag der Großstädter, die sich vielleicht noch nicht mit dem Gedanken befasst haben, was hier vor Jahrzehnten eigentlich war.



Ich stehe nach einigen Kilometern vor dem Denkmal für Chris Gueffroy.


Am 21, Juni 2003, Gueffroy wäre an diesem Tag 35 Jahre alt geworden, wurde die Stele im Beisein von Angehörigen am Ort der Flucht aufgestellt. Chris Gueffroy (21.6.1968-5./6. 2.1989) war das letzte Opfer des Schießbefehls und vorletztes Opfer insgesamt an der Berliner Mauer.


Zwischen Treptow und Neukölln windet sich die ehemalige Grenze, die mit einer doppelten Pflastersteinreihe im Boden gekennzeichnet ist ( also in Zukunft: Augen auf wenn ihr in Berlin unterwegs seid!), durch ein dicht bebautes Wohnquartier. An der Kiefholzstraße/Ecke Karpfenteichstraße erinnert ein Denkmal an das traurige Schicksal von Kindern, die auch im Grenzstreifen ums Leben kamen.



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Die Oberbaumbrücke überspannt die Spree zwischen den Ortsteilen Kreuzberg und Friedrichshain. Seit dem 9. November 1994 ist die restaurierte Brücke eine wichtige Verbindung für den Auto- und U-Bahnverkehr. Von 1961 bis 1989 war sie „Grenzübergangsstelle“ und durfte nur von Fußgängern benutzt werden.



Die East Side Gallery befindet sich auf der einstigen Hinterlandmauer, die nach Ost-Berlin zeigte.

Neben der landschaftlichen Besonderheit weist die Grenzanlage hier auch eine bauliche Seltenheit auf: Als „Protokollstrecke“ für hochrangigen Besuch in der DDR war die Hinterlandmauer an der Mühlenstraße für jeden sichtbar. Daher wurde sie hier als die bekannte „Grenzmauer 75“ ausgeführt, die andernorts fast immer nach West-Berlin zeigte. Die 3,6 Meter hohen Mauerteile sollten den Blick auf den Todesstreifen versperren.1990 haben Künstler aus aller Welt den 1,3 Kilometer langen Rest der Grenzmauer mit eindrücklichen Bildern bemalt. Hier ist am Sonntag Vormittag wirklich die Hölle los!


Mein vorletzter Stop ist vor dem Springer Verlagshaus in Berlin Kreuzberg. Die Skulptur kann ich gar nicht übersehen und mittlerweile bin ich so geschult, dass ich weiss: hier gehts nochmal um Berliner Mauergeschichte.


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Das Werk besteht aus einem Mann mit einer schwarzen Hose und einem weißen Hemd, der auf einem Mauerstück der Berliner Mauer balanciert, sowie elf um den Mann herum platzierten, originalen Mauerteilen. Das Denkmal soll an die Deutsche Wiedervereinigung und hier insbesondere an den Mauerfall erinnern. Die Figur ist einschließlich des Mauerstücks 5,7 Meter hoch, also verdammt hoch!



Ein paar Minuten weiter durch den Berliner Sonntagsverkehr und ich stehe an dem Ort, den ich völlig verdrängt und so touristisch nicht in Erinnerung habe. Es tummeln sich Menschen aus allen Ländern am: Checkpoint Charlie!




Der ehemalige Grenzübergang Checkpoint Charlie gehört zu den wichtigsten und meistbesuchten Sehenswürdigkeiten Berlins. Die Attraktion für Touristen war zu Zeiten der deutschen Teilung ein militärischer Kontrollpunkt. Auch wenn die Mauer längst verschwunden ist und die Schlagbäume und Wachtürme des Checkpoint Charlie durch Nachbauten ersetzt wurden - das Interesse an dem ehemaligen Grenzübergang ist ungebrochen groß. Hier ist es mir persönlich zu trubelig und ich gebe ein letztes Mal Gas um .....



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...die letzten Mauerreste am Potsdamer Platz zu sichten! Ich bin also wieder am Startpunkt und damit am Ziel angekommen!!!


Ich gönne mir einen Cappuccino in der Sonne am Potsdamer Platz und bin völlig platt, aber auch ziemlich stolz auf mich, dass ich die Tage gemeistert habe. Manchmal war es zäh in der Hitze, aber die Natur und die Erlebnisse entschädigen alles.

Ich muss an interessante Begegnungen mit Menschen zurückdenken, denn es ist wahrlich nicht so, dass der Radweg nicht verwendet wird: für viele Berliner ist es bewusst oder unbewusst ein Weg zur Arbeit, zu Freunden, zum Einkaufen und für Freizeitzwecke.


Mir sind 2 Anekdoten in Erinnerung, die ich gerne teilen möchte, weil ich beiden Personen versprochen habe, sie in meinem Blog zu erwähnen ( wenn Sie es lesen, wissen Sie beide , dass ich Sie nicht vergessen habe)....


Ich stehe am Grab von Dieter Wohlfahrt kurz vor dem Grenzübergang Staaken. Es befindet sich am Straßenrand in einem von Einfamilienhäusern gesäumten holprigen Weg. Herr Schumann parkt gerade sein Auto dicht an meinem Fahrrad, steigt aus und ich spüre, wie er mich beobachtet. Ich grüße höflich, er auch und wir kommen ins Gespräch. Er möchte gerne wissen, was ich bei so einem heissen Wetter hier tue und nachdem ich ihm von meinem Wochenendplan berichte, erzählt er mir dass er und seine Frau regelmäßig Blumen auf das Grab von Dieter Wohlfahrt legen.Sie seien vor 20 Jahren hierhergezogen, kannten also den Verstorbenen nicht, aber "man könne doch Geschichte nicht einfach verblassen lassen"......


Meine 2. Anekdote findet vor einem "Edeka" kurz von dem U Bahnhof Rudow statt. Ich brauche einen "Zuckerschock" und besorge mir eine kalte Cola aus dem Supermarkt, sitze am Fahrradständer und Frau Klein kommt mit einem vollen Einkaufswagen auf mich zu. Ob es mir gut gehe, fragt sie mich...und da merke ich erst, dass die lange Radtour doch ihre offensichtlichen Spuren hinterlassen haben muss! Sie interessiert sich, was ich hier tue und bedankt sich mit warmen Worten: Es ist toll, dass junge Menschen ( welch Lob, Sie Gute wissen nicht um mein Alter) sich für deutsch-deutsche Geschichte interessieren und vor allem dokumentieren!


Ich schliesse mein "Abenteuer" mit einem Bild, was nicht ich, sondern der deutsche Astronaut Alexander Gerst zum 25- jährigen Mauerfall-Jubiläum getwittert hat:


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„Hallo Berlin! Von hier oben sieht man keine Grenzen!“© Alexander Gerst/ESA/dpa



 
 
 

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